Kabinett Müller II

28. 6. 1928 - 27. 3. 1930

Das zweite Kabinett Müller und die Große Koalition

Die Große Koalition, die nach der Reichstagswahl im Mai 1928 unter Vorsitz des Kanzlers Hermann Müller gebildet worden war, stand vor großen innenpolitischen Differenzen. Dazu gehörten:
 

Der Streit um den Panzerkreuzer A

Die Reichswehr wollte neue Kriegsschiffe. Der Versailler Vertrag machte dem Deutschen Reich bestimmte Auflagen, was die Rüstung betraf, doch der Bau neuer Kriegsschiffe war nicht gänzlich untersagt.

Schon im Wahlkampf waren SPD und KPD gegen den Bau des geplanten Panzerkreuzers A eingetreten, den sie als reines Projekt für das Ansehen betrachteten, während anderswo im Reich Not herrschte und das Geld dort besser eingesetzt wäre.

Doch der Reichswehrminister drängte, auch Reichspräsident Hindenburg war für den Bau. Die SPD-Kabinettsmitglieder wollten – kurz nach Aufnahme der Regierungsgeschäfte – keine Krise heraufbeschwören und stimmten schließlich zu.

Dafür ernteten sie wiederum große Kritik bei ihrer Fraktion, bei den Parteimitgliedern und bei der KPD. Unter Druck gesetzt, stimmte die gesamte SPD-Fraktion dann bei der Reichstagsabstimmung Mitte November 1928 gegen den Bau des Schiffes.

Verhindern konnte sie den Bau damit nicht, denn die bürgerlichen Parteien überstimmten die SPD. In der Öffentlichkeit und bei den Parteimitgliedern kam ein solches Hin und Her natürlich nicht gut an.
 

Der Ruhreisenstreit

Der Ruhreisenstreit entwickelte sich aus einem Konflikt zwischen den Gewerkschaften der Metallindustrie und den Arbeitgebern im Ruhrgebiet. Die Gewerkschaften forderten höhere Löhne, die Arbeitgeber lehnten dies ab. Man nennt dies auch einen Tarifkonflikt.

Die Arbeitgeber begründeten ihre Ablehnung mit der sich verschlechternden Wirtschaftslage. Doch sie wehrten sich damit auch gegen den staatlichen Einfluss auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik überhaupt (mit dem Schlichtungswesen, dem Achtstundentag, der Arbeitslosenversicherung) und somit auch gegen die SPD, die nach längerer Zeit nun wieder an der Regierung beteiligt war.

Die Arbeitgeber kündigten mehr als 200.000 Arbeitern die Stellen (Aussperrung) zum 1. November 1929. Dadurch lagen der Kohlebergbau und die Stahl- und Eisenindustrie darnieder, was zu großem wirtschaftlichem Schaden führte. Erst am 3. Dezember kam es zu einer Einigung und die Aussperrung wurde aufgehoben.
 

Der Young-Plan

Von der politischen Rechten (vor allem die Parteien DNVP und NSDAP, aber auch andere rechte Organisationen wie Stahlhelm und Alldeutscher Verband) wurde gegen den Young-Plan und somit auch gegen die Regierung, die für den Plan gestimmt hatte, mobil gemacht.
 

Finanzprobleme und Streit um die Arbeitslosenversicherung

Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich mit der Weltwirtschaftskrise immer mehr, die Zahl der Arbeitslosen stieg, die Gelder der neuen Arbeitslosenversicherung reichten nicht aus, die Staatsverschuldung nahm zu. Über den Abbau der Schulden konnten sich die Parteien nicht einig werden (siehe auch: Das Ende des Kabinetts Müller).

Heinrich Brüning, Vorsitzender der Zentrumspartei, schlug als Kompromiss eine Verschiebung der Entscheidung und eine in jedem Fall begrenzte Bezuschussung des Reiches zur Arbeitslosenversicherung vor. Die SPD lehnte ab.

Allerdings war Kanzler Müller, der ja auch der SPD angehörte, für die Annahme des Kompromisses gewesen. Müller reichte daraufhin am 27. März 1930 den Rücktritt seines Kabinetts ein. Am 30. März setzte Reichspräsident von Hindenburg Heinrich Brüning als neuen Kanzler ein. Dies war das Ende des Kabinetts Müller und der Beteiligung der SPD an der Regierung.
 

Radikalisierung der Randparteien

Ein weiteres Problem war, das sich die Parteien am linken und am rechten Rand radikalisierten. Die KPD stand offen in Opposition zur SPD und warf ihr Sozialfaschismus vor. Die DNVP war mit der Wahl ihres neuen Vorsitzenden Hugenberg noch einmal nach rechts gerutscht.

Die NSDAP hatte zwar bei der Reichstagswahl 1928 schlechter abgeschnitten als bei der Wahl 1924, wurde aber als Bündnispartner der anderen rechten Parteien anerkannt. Bei Landtagswahlen konnte sie ihren Stimmenanteil erhöhen. Selbst die bürgerliche Zentrumspartei rückte mit der Wahl von Ludwig Kaas als Vorsitzendem ein Stück nach rechts, ebenso die DVP nach dem Tod Stresemanns im Oktober 1929.