Der Hepatitis-Skandal

Verseuchte Spritzen bei Rhesusunverträglichkeit

Eine schwangere Frau, deren Blut den Rhesusfaktor negativ ausweist, kann in einer weiteren Schwangerschaft genauso wie ihr Kind mit dem Leben bedroht sein, wenn das Kind rhesuspositiv ist. Das nennt man Rhesusunverträglichkeit.

Das ist erst bei einer zweiten Schwangerschaft gefährlich, weil es bei der ersten Geburt meist zur Vermischung von mütterlichem und kindlichem Blut kommt. Daher erhalten alle rhesusnegativen Mütter vorbeugend eine Gabe von Rhesusfaktor-Antikörpern (Anti-D-Immunglobulin). So unterbleibt eine Antikörperbildung und weitere Schwangerschaften sind nicht gefährdet.
 

Verseuchte Spritzen

Schon seit 1971 erhielten rhesusnegative Schwangere in der DDR eine Impfung mit Anti-D-Immunglobulin. Hergestellt wurde es für die ganze DDR am Blutspendeinstitut in Halle. Dort hatte der Institutsleiter Dr. Wolfgang Schubert zusammen mit der Chemikerin Viktoria Tesar das Verfahren entwickelt. Schubert erhielt dafür 1976 den Nationalpreis der DDR.

Im Winter 1978/79 aber waren die Spritzen verseucht. Die Spender des zur Herstellung notwendigen Blutplasmas hatten Hepatitis, eine lebensbedrohliche Lebererkrankung. Damit wurden nun auch die jungen Schwangeren angesteckt.
 

Ein Skandal - und eine Straftat

Der Skandal: Dass die Mittel verseucht waren, wusste man schon vorher. Weil aber Geld für neue Impfdosen fehlte und das Gesundheitsministerium Druck ausübte, entschloss sich Schubert, die infizierte Spende zu verdünnen, in der Hoffnung die Hepatitis-Viren so abzutöten. Das aber war nicht der Fall: Mehrere tausend Frauen wurden mit Hepatitis C angesteckt und erlitten so einen Impfschaden.

Die Leiden der betroffenen Frauen begannen kurz nach der Entbindung. Sie bekamen Bauch- und Gliederschmerzen und litten an Übelkeit, Juckreiz, Fieber und Schwächeanfällen. Mit den Spätfolgen kämpfen die Betroffenen bis heute - sofern sie die Krankheit überlebt haben.

Die DDR versuchte zunächst, den Skandal zu vertuschen. Den Frauen wurde nicht einmal gesagt, woran sie litten und warum sie von ihren Familien isoliert wurden. Schließlich aber wurde doch ein Gerichtsverfahren gegen Schubert eingeleitet. Im November 1979 musste er seine Arbeit als Arzt aufgeben.