Gab es auch nicht-expressionistische Filme in Deutschland?

Neu-sachliche Filme und weitere Filmarten der 1920er Jahre

Der deutsche Film der 20er Jahre wird gerne mit dem expressionistischen Film gleichgesetzt. Tatsächlich wurde der künstlerisch anspruchsvolle Film ab 1925 vom neu-sachlichen Film abgelöst. Stilistisch bildete er einen Gegenpol zum expressionistischen Film.

Außerdem gab es eine Vielzahl an anderen Filmarten, die auch das weniger an Kunst interessierte Volk ins Kino zog. So waren Abenteuer- und Historienfilme sehr beliebt beim Publikum. Der Kriminalfilm lockte genauso Zuschauer an wie Komödien, also lustige Filme. Außerdem gab es Literaturverfilmungen.
 

Der neu-sachliche Film: typische Filme der 20er Jahre

Die Neue Sachlichkeit als beherrschende Kunstrichtung der Weimarer Republik fand ihren Niederschlag auch im Film. Die Handlung in diesen Filmen der 20er Jahre war realistisch und häufig auch sozialkritisch. Die Schauspieler sollten authentisch wirken und in möglichst realen Filmkulissen agieren.

Ein erster typischer Film dieser Richtung ist "Die freudlose Gasse" von 1925, ab da ist der neu-sachliche Film der beherrschende Stil im Kunstfilm.

Georg Wilhelm Pabst und Gerhard Lamprecht werden zu den bekanntesten Regisseuren des neu-sachlichen Films.

Bekannte Filme sind "Die Abenteuer eines Zehnmarkscheines" (der leider als verschollen gilt), "Menschen am Sonntag" (1930) und "Kuhle Wampe" (1932).
 

Abenteuer- und Historienfilme

Beliebt bei den Zuschauern waren auch Abenteuerfilme. Dazu gehört etwa der Zweiteiler "Die Spinnen" von 1919 und 1920, der unter der Regie von Fritz Lang entstand. Man kann sie sich als eine Art Vorläufer der Indiana-Jones-Filme vorstellen.

Erste Filme historischen Inhalts waren "Madame Dubarry" (1919), das zur Zeit des französischen Königs Ludwigs XV. spielt, und "Anna Boleyn" (1920) über die zweite Ehefrau des englischen Königs Heinrich VIII. "Die Nibelungen" von 1924 waren mit den beiden Teilen "Siegfried" und "Kriemhilds Rache" ein großer Publikumserfolg.
 

Die Komödie der 20er Jahre

Die Komödie diente in den Filmen der 20er Jahre vor allem der Unterhaltung des Publikums. Immer wieder wurde auch von Zeitgenossen kritisiert, dass die deutschen Komödien zu anspruchslos seien. Die deutschen Komödien waren also umstritten – geliebt vom Publikum, verachtet von den Kritikern.

Auch im Vergleich zu den amerikanischen Komödien und ihren Stars Charlie Chaplin oder Buster Keaton schnitt die deutsche Komödie laut ihren Kritikern schlecht ab. Dennoch: Im Kino waren auch die Komödien Erfolge. Es gab verschiedenen Filmarten der Komödie.

Ein Gegenstück zu Spielfilmen aus dem städtischen Raum bildeten Heimatfilme und Bauernschwänke, zum Beispiel "Kohlhiesels Töchter" von 1920, das unter der Regie von Ernst Lubitsch entstand. In diesem Bauernschwank, der in den bayerischen Alpen spielt, geht es um zwei ungleiche Schwestern, die von ihrem Vater verheiratet werden sollen. Ein typischer Heimatfilm war "Die Försterchristel" von 1930.

Beliebt waren auch Militärkomödien. Diese wurden vor allem Anfang der 1930er Jahre zum Erfolg, z. B. "Drei Tage Mittelarrest" (1931) oder "Der Stolz der 3. Kompanie" (1932). Man machte sich darin z. B. über die militärischen Hierarchien lustig oder über den preußischen Drill.

Mit der Einführung und dem Durchbruch des Tonfilms ab Mitte der 1920er Jahre kamen auch vermehrt Film-Operetten und musikalische Komödien ins Kino. Dazu gehörte auch der erfolgreiche Film "Die Drei von der Tankstelle" (1930), mit dem Heinz Rühmann seinen Durchbruch feierte. Lieder wie "Ein Freund, ein guter Freund" sind bis heute bekannt.

Zum deutschen Traumpaar avancierten Lilian Harvey und Willy Fritsch, die schon im "Liebeswalzer" aus dem gleichen Jahr zusammen gespielt hatten.

Gern als komödiantisches Mittel genutzt wurde die Travestie, also Männer als Frauen verkleidet oder umgekehrt, z. B. in "Viktor und Viktoria" (1933). Geradezu frei und modern ging man mit Rollenbildern um. In der Zeit des Nationalsozialismus verschwand das Motiv völlig.
 

Literaturverfilmungen

Es gab auch Literaturverfilmungen, z. B. "Dr. Mabuse" (1922) unter der Regie von Fritz Lang oder Goethes "Faust" von 1926 unter der Regie von Friedrich Wilhelm Murnau.

Ein sehr großer Kino-Erfolg war 1930 die Verfilmung "Der blaue Engel" nach Heinrich Manns Roman "Professor Unrat". Mit diesem Film hatte Marlene Dietrich ihren weltweiten Durchbruch. Regie führte Josef von Sternberg.

Auch Kinderfilme gab es. So wurde Erich Kästners "Emil und die Detektive" 1931 erstmals verfilmt und wurde ein großer Kinoerfolg.
 

Sinfonie einer Großstadt

Auch Dokumentarfilme gab es schon. Zum Beispiel "Berlin - Die Sinfonie der Großstadt" von 1927. Der experimentelle Film zeigt Berlin als einen lebenden Organismus. Die Stadt erwacht und pulsiert in einem immer schneller werdenden Rhythmus. Wie man damals lebte und arbeitet, zeigt der Film uns heute sehr anschaulich. Du kannst ihn dir hier ansehen: archive.org