Wer sind die Wandervögel?
Die Wandervögel - Bedeutung
Auch während der Kaiserzeit gab es Menschen, die die bestehende Gesellschaft hinterfragt haben. Sie suchten nach Freiheit, Ungezwungenheit und Gleichheit.
Die Wandervögel als Rebellen
Das fanden sie - wie auch die Romantiker - in der Natur, beim Wandern. Daraus entstand eine Bewegung, die man Wandervogelbewegung nannte. Das klingt erst einmal ziemlich lustig. Für die jungen Leute war das damals aber eine Form von Rebellion, so, wie man heute gegen oder für etwas auf die Straße zum Demonstrieren geht. So packten sie ihre Rucksäcke, ihre Gitarren, ihr Blechgeschirr und zogen in den Wald. Aber anders als bei den Pfadfindern verzichteten sie auf Uniformen, auf Strenge und auf Drill, denn sie wollten frei sein und sich von allem Militärischen fern halten.
Die Wandervögel: Mädchen und Jungen zusammen – ein Skandal!
Du kannst dir vorstellen, dass es in der sittenstrengen wilhelminischen Gesellschaft gar nicht gerne gesehen wurde, wenn Jungen und Mädchen gemeinsam in die freie Natur zogen, ohne dass Anstandsdamen dabei waren. Jungen und Mädchen hatten an den Schulen nicht einmal gemeinsam Unterricht. Und dazu kamen die Nächte am Lagerfeuer, ohne Betreuung und Kontrolle. All das war ziemlich unmöglich.
Diskussion um Mädchen bei den Wandervögeln
Während sich die Jungen und Mädchen am Anfang nur zwanglos trafen, wurde 1901 in Berlin-Steglitz ein Verein gegründet, und zwar von einem Schüler namens Karl Fischer (1881-1941). Nun fanden sich die ehemals freien Wandervögel doch wieder in einem Verein, der Regeln und Verbote aufsetzte. So traten im Laufe der Zeit Meinungsverschiedenheiten auf, wie man als "Wandervogel" zu leben habe. Es spalteten sich kleine Grüppchen ab und Neugründungen entstanden, die wieder eine andere Vorstellung vom Wandervogeldasein hatten. Auch war man sich nicht so ganz klar darüber, ob denn Mädchen mitmachen durften oder wie man es mit dem Alkohol zu halten hätte.
Wandervögel als Jugendbewegung
Auch darüber gab es heftige Diskussionen. Manche wollten strenge Regeln, andere wieder ihre Freiheit ohne einen "Häuptling" oder "Führer". Eine Besonderheit dieser ersten großen Jugendbewegung war, dass Volksschüler mitmachten durften und nicht nur Gymnasiasten. Diese Bewegung war schon ziemlich modern und revolutionär. Von Gruppierungen, die national dachten und dem Kaiser Treue schworen, wollten sich die "echten" Wandervögel bewusst abgrenzen. Doch schon in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg gab es Gruppierungen, die das nationale Gedankentum übernahmen und sich an militärischen Vorgaben ausrichteten.
Blick voraus
Später löste sich die Wandervogel-Bewegung in viele Organisationen auf. Jugendorganisationen wurden zur Bündischen Jugend vereint. Schließlich wurde sie während des Nationalsozialismus von der Hitler-Jugend geschluckt. Man sagt auch "gleichgeschaltet", wie viele andere Organisationen auch. Mit der ursprünglichen Idee hatte das dann gar nichts mehr zu tun.
Nach 1945 haben sich die Wandervögel wieder neu zusammengefunden und noch heute gibt es Gruppen, die nach den Idealen und Vorstellungen der frühen Wandervögel leben. Sie wandern, nehmen ihr Gepäck mit, kochen am Lagerfeuer und schlafen unter freiem Himmel. Es gibt gemischte Gruppen, aber auch Gruppen nur mit Mädchen oder nur mit Jungen. Und die Wandervögel wollen ein gutes Beispiel geben, denn sie verzichten auf Drogen aller Art, auch auf Zigaretten und Alkohol.