Moderne Architektur: Strömungen seit den 90er Jahren
Moderne Architektur
Große Epochen sind in der Architektur - genauso wie in Musik, Literatur oder Kunst - oft erst im Nachhinein erkennbar und benennbar. Darum ist es schwer, von der Zeit seit den 90er Jahren von Epochen zu sprechen. Erkennbar sind jedoch Entwicklungen und Strömungen. Einige von diesen stellen wir euch hier vor.
Man spricht insgesamt von der Moderne in der Architektur, meint damit aber in Abgrenzung zur klassischen Architektur schon die Bauweise seit mehr als 100 Jahren. Insbesondere die 1920er Jahre gelten als wegweisend für die moderne Architektur.
In Abgrenzung dazu entstanden Formen wie Brutalismus, die postmoderne Architektur, Minimalismus oder Dekonstruktivismus (siehe dazu Architektur der 60er, 70er und 80er Jahre). Einige davon sind noch immer "modern", andere nicht mehr. So baut man keine Großsiedlungen mehr, weil sich diese oft zu sozialen Brennpunkten entwickelten. Auch vom Brutalismus nahm man Abstand, weil der Sichtbeton nicht mehr dem Geschmack entsprach. Auch die postmoderne Architektur fand Ende der 80er Jahre ein Ende.
Minimalismus und Dekonstruktivismus findet man hingegen auch heute noch.
Der Funktionalismus, der sich auch im Bauhausstil schon zeigte, wurde insbesondere in der zweiten Hälfte der 90er Jahre wieder aufgegriffen, nachdem der "Zweckbau" in den 70er Jahren ein schlechtes Ansehen erworben hatte. Funktional bauen, bedeutet aber eben auch kostengünstiger und funktionsgerecht zu bauen. Immer mehr wird auch Wert gelegt auf nachhaltiges und ökologisches Bauen, etwa mit nachhaltigen Rohstoffen, guter Wärmedämmung oder Solardächern.
Zu diesen Stilen kamen aber auch ganz neue Formen der Architektur wie Blob-Architektur und parametrische Architektur.
Blob-Architektur
Blob-Architektur entstand in den 90er Jahren. Die Formen der in Blob-Architektur entstehenden Gebäude sind rund und fließend. Sie beruhen oft auf freien Formen. Die Form ist oft auch biomorph. Das bedeutet, dass die Form lebenden Wesen nachempfunden ist, aber trotzdem künstlich oder organisch ist.
Man spricht bei der Blob-Architektur auch von Nicht-Standard-Architektur oder Freiform-Architektur. Sie wurde erst möglich durch moderne Software zum Entwerfen solcher Formen.
Blob-Architektur gehört zum Organischen Bauen bzw. zur Organischen Architektur. Diese gibt es schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie umfasst verschiedene Richtungen in der Architektur. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass die Bauten sich harmonisch in die Landschaft einpassen sollen. Im Unterschied zur Organischen Architektur ist die Blob-Architektur häufig symmetrisch gestaltet.
Parametrismus und parametrische Architektur
Der Begriff Parametrismus wurde erstmals 2009 verwandt, und zwar von dem Architekten Patrik Schumacher. Er arbeitete eng mit Zaha Hadid zusammen, eine Architektin, die auch in Deutschland einige Gebäude entworfen hat. Ihr Stil wird von Schumacher mit parametrischer Architektur bezeichnet.
Komplexe geometrische Formen werden dabei digital entworfen. Bestimmte Parameter, das heißt bestimmte Größen, werden vorgegeben und zu einem Gebäude verknüpft. Am Ende entwirft quasi die Maschine den Entwurf.
Die Formen stammen dabei aus der Natur, sind fließend und weich. Strenge geometrische Körper wie Rechteck oder Kreis sind verboten, ebenso die Wiederholung von Elementen. Auch auf Nachhaltigkeit wird viel Wert gelegt. Das alles macht den Bau selbst nicht einfach.
Weil die Bauwerke so ungewöhnlich sind, sind sie als wahre Hingucker sehr beliebt. Viele Städte wünschen sich darum solche Bauten in parametrischer Architektur. Häufig werden in solchen Gebäuden Museen o.ä. untergebracht, da sie sich als Wohnhäuser weniger eignen. Zaha Hadid hat außerdem Brücken, Flughäfen oder Skisprungschanzen entworfen. Sie werten Städte auf und kurbeln so zum Beispiel auch den Tourismus an.
Spektakuläre Architektur
Seit 1990 sind einige spektakuläre Bauten entstanden - in der ganzen Welt, aber auch in Deutschland. Einige davon stellen wir euch in unserem Bild-Slider unten vor.
Zu ihnen gehört zum Beispiel auch die Elbphilharmonie. Die Bauzeit war viel länger als geplant und die Kosten explodierten, jedoch hat Hamburg auch ein neues Wahrzeichen, einen einzigartigen Konzertsaal und einen Anziehungspunkt für Touristen erhalten. Fertig gestellt wurde der Bau 2016 statt wie geplant 2010. Die Kosten betrugen 866 Millionen Euro (statt wie geplant 77 Millionen Euro).
Auf einen alten Kaispeicher als Sockel wurde ein neuer Aufbau gesetzt. Das Dach erinnert an Wellen oder Eisberge, die Fassade ist aus Glas. Verbudnen sind hier die traditionelle, regionale Architektur (Backstein, Speicher) mit modernen Formen und Materialien.
Besondere Gebäude in Deutschland
Rekonstruktionen
Ein Trend in Deutschland ist zudem die Rekonstruktion von Gebäuden, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Während direkt nach dem Krieg zwar auch viel wieder aufgebaut wurde, blieben andere Bauten als Ruinen stehen oder wurden ganz abgerissen. Das prominenteste Beispiel ist wohl das Berliner Stadtschloss, das zwischen 2013 und 2020 wieder aufgebaut wurde. Andere Beispiele sind das Knochenhaueramtshaus in Hildesheim (1989), die Dresdner Frauenkirche (2005), das Potsdamer Stadtschloss (2013) und ein Teil der Frankfurter Altstadt (2018).