Warum haben wir ein gegliedertes Schulsystem?

Das Leben von Kindern in der Kaiserzeit war sehr unterschiedlich. Wie es ihnen erging, welche Chancen sie im Leben hatten, welche Schule sie besuchten, hing sehr stark davon ab, in welches Elternhaus sie hineingeboren wurden.

Die Kinder waren wie die Eltern in unterschiedliche Klassen eingeteilt

So wie die Gesellschaft streng in Klassen eingeteilt war, so waren es auch die Kinder. Diese Klassen zu überwinden, war gar nicht so einfach, um nicht zu sagen unmöglich. Was bedeutete dies nun? Die Gesellschaft des Kaiserreiches gliederte sich ganz grob in drei Stände: Die Tagelöhner und einfachen Arbeiter, die Beamten, Kaufleute und reichen Bauern, die Gelehrten und die Industriellen. Wie das Leben eines Kindes, seine Schullaufbahn, der spätere Beruf, ja sein ganzes Leben einmal aussehen sollte, das hing sehr stark eben damit zusammen, in welches Elternhaus das Kind geboren wurde. 

Das Schulsystem spiegelte die Einteilung in Stände

Aus dieser Standeseinteilung entstand dann auch das dreigliedrige Schulsystem mit der Einteilung in ein höheres, mittleres und niederes Schulwesen. So gingen die meisten Kinder in die Volksschule, die acht Jahre dauerte. Das waren damals noch 80 Prozent, also vier Fünftel der Kinder besuchten eine Volksschule. Der Abschluss, den sie dort machten, lässt sich mit unserem heutigen Hauptschulabschluss vergleichen. Kinder, deren Eltern arm waren, gingen meist nur zur Volksschule.

Mittelschulen und Gymnasien

Die Schulen des so genannten mittleren Schulwesens hießen Mittelschule, Lateinschule oder auch Realschule. Die Lateinschule gibt es heute so nicht mehr, aber Realschule und auch der Begriff "Mittelschule" sind dir vielleicht bekannt. Das höhere Schulwesen entsprach dem Gymnasium, das nur wenige Schülerinnen und Schüler - getrennt in Jungen und Mädchen - besuchten. Es gab auch schon Versuche eines gemeinsamen Unterrichts, die man aber wieder verwarf, da man glaubte, Kinder aus den unterschiedlichen Ständen wären zu unterschiedlich, um gemeinsam unterrichtet zu werden.

Mädchen blieb nur die höhere Mädchenschule

In der Volksschule waren Mädchen und Jungen in einer Klasse. Für Mädchen gab es letztlich nur eine Alternative, wenn sie eine weiterführende Schule besuchen wollten und das war die höhere Mädchenschule. Allerdings lernten die Mädchen an diesen Schulen meist nur das, was sie für ihre spätere Aufgabe als Hausfrau und Mutter benötigten.

Latein und Griechisch am Gymnasium

Wer von den Schülern schließlich das Gymnasium besuchte, konnte sich auf Fächer wie Latein und Griechisch und Religion einstellen. Pädagogik - also das Wissen, wie man Kinder letztlich etwas sinnvoll und spannend beibringt - war vielen Lehrern allerdings auch am Gymnasium völlig unbekannt. Die Prügelstrafe der Volksschule blieb im Gymnasium an der Tagesordnung.

Wenn du mehr über das Leben von Kindern in der Kaiserzeit erfahren möchtest, kannst du das Kapitel "Hier erzähle ich ... "  lesen - hier erzählen die Kinder selbst, auch über ihre Erfahrungen in der Schule. Und wie es in der Weimarer Republik in den Schulen weiterging, erfährst du in Ab in die Schule.

Ein interessantes Interview, das die Kinderreporter von der Kinderwebsite Böser Wolf mit dem Leiter der Sammlung Kindheit und Jugend in der Stiftung Stadtmuseum Berlin gesammelt haben findest du hier.


Blick voraus

Wie du weißt, ist die Schule "Ländersache", das heißt, dass die einzelnen Bundesländer über die Angelegenheiten in der Schule entscheiden. So haben manche Länder Gesamtschulen, andere nicht, manche stellen ein zentrales Abitur, also alle Kinder eines Bundeslandes müssen dieselbe Abiturprüfung machen, bei anderen entscheidet darüber die einzelne Schule. Manche haben das G8, also das Gymnasium in acht Jahren, andere nicht, andere schaffen G8 wieder ab und führen G9 wieder ein.


Viele Bundesländer haben auch noch das dreigliedrige Schulsystem mit Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Das ist genau das System, das noch aus der Kaiserzeit stammt, in der eben das Kind des Herrn Professors keinesfalls neben dem armen Arbeiterkind sitzen sollte, da wurde fein säuberlich getrennt. Heute sprechen wir immer von Chancengleichheit, also dass alle Kinder die gleichen Chancen in der Schule haben sollen, unabhängig davon, ob ihre Eltern nun Geld haben der nicht. Aber ob das immer so funktioniert, ist eine andere Frage.