Die Hunnenrede Kaiser Wilhelms II.
Kaiser Wilhelm II. nahm kein Blatt vor den Mund
Kaiser Wilhelm war bekannt dafür, dass er kein Blatt vor den Mund nahm. Bei Kindern sagt man vielleicht "sie reden, so wie ihnen der Schnabel gewachsen ist". So ähnlich war es auch bei Kaiser Wilhelm II. Diplomatie war nicht sein Ding und deshalb tappte er auch in so manchen Fettnapf, machte sich im Ausland unbeliebt und recht häufig mussten seine Vertrauten diese Fehltritte wieder gut machen. Die so genannte "Hunnenrede" Kaiser Wilhelms II. erfolgte im Zusammenhang mit dem Boxeraufstand in China.
Der Boxeraufstand in China
Die Boxer hatten sich in China gegen die Fremdherrschaft vor allem der Europäer erhoben und wollten die Kolonialherren aus dem Land treiben. So kam es zu einem Zusammenschluss der USA, Japans und einiger europäischer Staaten, die diesen Aufstand niederzuschlagen planten. Die Führung übernahm der preußische Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee. Als die Truppen, die nach China aufbrachen, verabschiedetet wurden, hielt Wilhelm II. seine berühmte Hunnenrede.
Die inoffizielle, aber korrekte Version der entscheidenden Textpassage lautete wie folgt:
"Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, daß es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!"
[Die Reden Kaiser Wilhelms II., Hg. v. Johannes Penzler. Bd. 2: 1896-1900. Leipzig o.J., S. 209-212. Abdruck der inoffiziellen Version in: Manfred Görtemaker: Deutschland im 19. Jahrhundert. Entwicklungslinien. Opladen 1996. (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 274), S. 357.]
Die Journalisten hatten genau zugehört
Der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow versuchte, die Rede im Wortlaut zu entschärfen und gab der Presse eine etwas andere Version weiter. Trotzdem hatten einige Journalisten genau zugehört und mitgeschrieben - ein offizielles Manuskript gab es wohl nicht - und es so auch veröffentlicht.
Die Hunnen standen für Grausamkeit
Kaiser Wilhelm wollte seine Truppen auffordern, rücksichtslos gegen den Feind vorzugehen. Und so wurde es auch im Ausland verstanden. Vor allem der Vergleich mit den Hunnen schreckte. Waren die Hunnen doch ein Beispiel für grausame und rücksichtslose Krieger, die kein Pardon kannten. Zumindest wurde es so erzählt.
So ging man während der Niederschlagung des Boxeraufstandes brutal gegen die Aufständischen vor, allerdings nicht allein die deutschen Truppen, der gesamte Einsatz war äußerst brutal.
Später, vor allem auch während des Ersten Weltkrieges, griff man diesen Vergleich mit den Hunnen noch einmal auf, indem die deutschen Soldaten besonders grausam dargestellt wurden, so wie die Hunnen. So sprach man im Ausland auch oft von den Deutschen als "Hunnen".
Die Hunnenrede Kaiser Wilhelm II
Große überseeische Aufgaben sind es, die dem neu entstandenen Deutschen Reiche zugefallen sind, Aufgaben weit größer, als viele Meiner Landsleute es erwartet haben. Das Deutsche Reich hat seinem Charakter nach die Verpflichtung, seinen Bürgern, sofern diese im Ausland bedrängt werden, beizustehen. Die Aufgaben, welche das alte Römische Reich deutscher Nation nicht hat lösen können, ist das neue Deutsche Reich in der Lage zu lösen. Das Mittel, das ihm dies ermöglicht, ist unser Heer.
In dreißigjähriger treuer Friedensarbeit ist es herangebildet worden nach den Grundsätzen Meines verewigten Großvaters. Auch ihr habt eure Ausbildung nach diesen Grundsätzen erhalten und sollt nun vor dem Feinde die Probe ablegen, ob sie sich bei euch bewährt haben. Eure Kameraden von der Marine haben diese Probe bereits bestanden, sie haben euch gezeigt, daß die Grundsätze unserer Ausbildung gute sind, und Ich bin stolz auf das Lob auch aus dem Munde auswärtiger Führer, das eure Kameraden draußen sich erworben haben. An euch ist es, es ihnen gleich zu tun.
Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr sollt das schwere Unrecht, das geschehen ist, sühnen. Die Chinesen haben das Völkerrecht umgeworfen, sie haben in einer in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den Pflichten des Gastrechts Hohn gesprochen. Es ist das um so empörender, als dies Verbrechen begangen worden ist von einer Nation, die auf ihre uralte Kultur stolz ist. Bewährt die alte preußische Tüchtigkeit, zeigt euch als Christen im freudigen Ertragen von Leiden, möge Ehre und Ruhm euren Fahnen und Waffen folgen, gebt an Manneszucht und Disziplin aller Welt ein Beispiel.
Ihr wißt es wohl, ihr sollt fechten gegen einen verschlagenen, tapferen, gut bewaffneten, grausamen Feind. Kommt ihr an ihn, so wißt: Pardon wird (euch) nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht. Führt eure Waffen so, daß [211] auf tausend Jahre hinaus kein Chinese mehr es wagt, einen Deutschen scheel anzusehen. Wahrt Manneszucht.
Der Segen Gottes sei mit euch, die Gebete eines ganzen Volkes, Meine Wünsche begleiten euch, jeden einzelnen. Öffnet der Kultur den Weg ein für allemal!
Nun könnt ihr reisen! Adieu Kameraden!
Quelle: archive.org