Warum wurden nur wenige Täter wirklich bestraft?
Nach dem Krieg hatten sich die Siegermächte bemüht, nicht nur die NS-Haupttäter zu fassen und zu verurteilen, sondern auch die gesamte deutsche Gesellschaft von nationalsozialistischen Einflüssen zu befreien und die Demokratie und das Verständnis der deutschen Bevölkerung von Demokratie zu festigen. Dazu wurden so genannte Spruchkammern eingerichtet und Fragebögen verteilt.
Oft genug richteten Täter über Täter
Am Ende übergaben die Alliierten die Strafverfolgung der deutschen Justiz, die selbst über die Täter richten sollte. Doch damit übergaben sie sie an eine Justiz und an Personen, die oft genug selbst ins nationalsozialistische System verstrickt waren, die sich selbst schuldig gemacht hatten und nun über ihre Mittäter zu Gericht saßen. So saßen oft Richter der NS-Zeit an den Gerichten und verschleppten die Verfahren, um Zeit zu gewinnen. Durch den "Kalten Krieg" sah man sich plötzlich neuen Herausforderungen gegenüber und war in erster Linie damit befasst, den Kommunismus zurückzudrängen. Für den Nationalsozialismus blieb da gar nicht mehr so viel Zeit und Interesse. So mancher ehemalige Nazi arbeitete sogar als Spion für die amerikanischen Geheimdienste. Auch die Amerikaner nahmen es da irgendwann nicht mehr so genau.
Viele flohen ins Ausland
So konnten viele Täter ins Ausland fliehen, wie zum Beispiel Josef Mengele, der mit seinen Menschenversuchen in den Konzentrationslagern Menschen fürchterlich gequält und viele ermordet hatte. Er konnte unter seinem richtigen Namen lange Zeit unbehelligt im Ausland leben und ist nur ein Beispiel für viele, die sich der Verantwortung entzogen. Auch Adolf Eichmann konnte untertauchen und später fliehen. Keine besonders rühmliche Rolle spielte hier der Vatikan. Katholische Kirchenvertreter halfen ehemaligen Nazis zur Flucht. Ob mit oder ohne Wissen des Vatikans bleibt allerdings bei den Historikern umstritten. So wurden viele Täter gar nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit belangt, weil sie nie gefunden und auch nie gesucht wurden.
So mancher Nationalsozialist saß in der Regierung
Es gab sogar Politiker in der Adenauer-Regierung, die hochrangige Ämter inne hatten und Nationalsozialisten gewesen waren. Dazu zählten zum Beispiel Hans-Maria Globke, der Staatssekretär gewesen ist und Theodor Oberländer, der das Amt eines Vertriebenenministers innehatte. Globke hatte an der Erstellung der Nürnberger Gesetze mitgearbeitet und Oberländer hatte sich für die deutsche Expansion nach Osten stark gemacht.
Auch richteten Täter über Opfer
Die alten Beamten wurden oft genug keiner besonderen Prüfung unterzogen. So richteten nicht nur Täter über Mittäter, sondern es kam sogar dazu, dass Beamte, die zuvor politisch Verfolgte ins Exil getrieben und ihrer Existenz beraubt hatten, den Heimkehrern gegenübersaßen und über deren Entschädigungen und Renten zu entscheiden hatten. Für die Täter vielleicht peinlich, für die Opfer ein weiterer Missbrauch.
Viele Richter, die in ihren Ämtern saßen, hatten Todesurteile während der NS-Zeit unterschrieben, Ärzte hatten Menschen durch Menschenversuche getötet oder Behinderte aufgrund des Euthanasiebefehls umgebracht. Wissenschaftler hatten die Grundlage zur Rassenpolitik gelegt oder ihren Anteil an dem Ausbau der Kriegsmaschinerie geleistet.
Doch gebraucht wurden sie, die Juristen, die Ärzte, die Wissenschaftler, die Beamten und auch die Lehrer. Auch hier saß so mancher, der kurz zuvor seinen Schülern noch die Unterschiede zwischen arisch und nichtarisch erklärt hatte.
Nicht alle waren überzeugte Nazis, aber dennoch ...
Nicht alle Mitglieder von NS-Organisationen waren überzeugte Nazis gewesen, waren Mörder und Täter. Aber sie waren in das nationalsozialistische System verstrickt und ihre Unterstützung hatte die Schreckensherrschaft der Nazis überhaupt erst ermöglicht.
Die meisten verdrängten dies und wollten am liebsten vergessen. Die Politik der Zeit erleichterte es ihnen. Doch die Frage, wie man es hätte "besser machen" können, kommt wohl zu spät, da die meisten Täter mittlerweile nicht mehr am Leben sind. So wie die Zeitzeugen aussterben, so gibt es auch nur noch wenige überlebende Täter und Täterinnen, die zur Verantwortung gezogen werden könnten. Denn Mord verjährt nicht.